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Tempo 30 funktioniert – Beispiel Zürich
Immer mehr Städte und Gemeinden führen Tempo 30 auch auf Hauptverkehrsachsen ein. Denn Tempo 30 hat positive Auswirkungen auf die Verminderung von Verkehrslärm und die Sicherheit der Strassenteilnehmer. Zudem entlastet sie die Umwelt mit Abgasen. Und Tempo 30 funktioniert.
Der Verkehr verursacht auch in Wettingen Lärm, der über dem Immissionsgrenzwert liegt. Betroffen ist vermutlich mehr als ein Drittel der Wohnbevölkerung.
Tempo 30 ist eine der effektivsten und kostengünstigsten Lärmschutzmassnahmen. Und Tempo 30 funktioniert: Wird die Fahrgeschwindigkeit von 50 auf 30 Stundenkilometer gesenkt, nimmt der Verkehrslärm um rund 3 Dezibel ab. Dies entspricht in der Wahrnehmung einer Halbierung der Verkehrsmenge. Zudem profitieren alle Verkehrsteilnehmenden von mehr Sicherheit und die Lebensqualität nimmt zu.
Sicherheit und Ruhe in Zürich
Zürcher Erfolgsgeschichte «Tempo 30» nahm im Mai 1991 ihren Anfang. Schon zwei Jahre nachdem der Bund die Einrichtung von Tempo-30-Zonen ermöglicht hatte, begann Zürich mit den entsprechenden Umsetzungsarbeiten. Inzwischen gibt es in der Stadt Zürich 139 Tempo-30-Zonen (Stand Ende 2017). Die Zonen stossen bei der Wohnbevölkerung als Verkehrsberuhigungsmassnahme ebenso auf sehr hohe Akzeptanz als auch bei den Verkehrsteilnehmenden, die die maximal zulässige Höchstgeschwindigkeit grösstenteils einhalten (in Zürich wird auch kontrolliert). Tempo-30-Zonen haben zudem nachweislich zu einer Reduktion der Unfallzahlen und der Anzahl Verletzten in Zürichs Quartieren geführt.
Im März 2019 hatten Regierungsrätin Carmen Walker Späh und Stadträtin Karin Rykart ihre für Verkehrsfragen zuständigen Ämter beauftragt, die Wirksamkeit von Tempo 30 zu prüfen. Die städtische Dienstabteilung Verkehr und das kantonale Amt für Verkehr nahmen unter Mitwirkung von weiteren internen und externen Fachleuten an neun Strecken Messungen vor. Das Ziel der Untersuchung war, die teilweise emotional und kontrovers geführte Diskussion um Geschwindigkeitsreduktionen aus Lärmschutzgründen zu versachlichen und neue Erkenntnisse zu gewinnen.
Bei den untersuchten Strecken handelt es sich um bereits rechtskräftig verfügte Geschwindigkeitsreduktionen, die durch das Anbringen von Signalisationen und teilweise von Markierungen – also ohne bauliche Massnahmen – umgesetzt wurden. Um aussagekräftige Erkenntnisse zu gewinnen, wurden zum Beispiel Strecken mit grosser Steigung oder lange Abschnitte evaluiert. Zudem sind alle Strassen stark frequentierte kommunale oder überkommunale Strassen, so dass ein mögliches Ausweichen auf Quartierstrassen untersucht werden konnte.
Im Frühling 2019 erfolgten die Vorerhebungen, im Sommer 2019 wurden die Strecken umsignalisiert und im Herbst 2019 wurden die Nacherhebungen durchgeführt.
Tempo 30 als Lärmschutzmassnahme wirkungsvoll
Tempo 30 funktioniert. Die Lärmberechnungen und -messungen haben ergeben, dass mit Ausnahme der Steinstrasse, wo keine Temporeduktion stattfand, überall eine wahrnehmbare Lärmreduktion erfolgte. Sie liegt tagsüber zwischen 0,6 und 2,9 dB(A) und nachts zwischen 1,1 und 3,1 dB(A). Eine Reduktion ab 1 dB(A) gilt als wahrnehmbar. 3 dB(A) weniger Lärm entspricht der Halbierung der Verkehrsmenge.
Kein Ausweichverkehr, aber Verlustzeiten
Bezüglich Verkehrsmengen und Ausweichverkehr gibt es keine Hinweise auf systematische Zu- oder Abnahmen der Verkehrsmengen aufgrund der Geschwindigkeitsreduktion. Beim Reisezeitverlust des motorisierten Individualverkehrs zeigte sich, dass Verlustzeiten entstehen, diese mit 1 bis 3 Sekunden pro 100 Meter jedoch unter der rechnerischen Verlustzeit von 4,8 Sekunden pro 100 m liegen. Erwartungsgemäss sind die Verlustzeiten in den Nebenverkehrszeiten grösser als in den Hauptverkehrszeiten.
Auf Strecken, wo Trams oder Busse verkehren, wurden die Verlustzeiten aufgrund der tatsächlich gemessenen Geschwindigkeiten aus dem Leitsystem der VBZ errechnet. Die Verlustzeiten für den öffentlichen Verkehr verhalten sich grundsätzlich ähnlich wie jene für den motorisierten Individualverkehr und bewegen sich ebenfalls im Bereich zwischen 1 und 3 Sekunden pro 100 Meter. Weitere Einschränkungen sind durch die Temporeduktion beim öffentlichen Verkehr nicht aufgetreten. «Auf Verlustzeiten beim öffentlichen Verkehr müssen wir besonders achten, denn auch ein attraktiver, gut genutzter ÖV trägt zur Reduktion des Strassenlärms bei», sagt Regierungsrätin Carmen Walker Späh. «Fahrzeitverlängerungen können auch beim öV zu Mehrkosten im Betrieb führen. Und letztlich ist auch die Netzhierarchie bei der Wahl des Temporegimes zu berücksichtigen.»
Die Erhebung der Verkehrsmengen erfolgte mit den gleichen Geräten wie die Geschwindigkeitsmessungen. Neben den absoluten Mengen an Fahrzeugen wurde auch die Zusammensetzung (Autos, Motorräder, Lastwagen, Lastenzüge, Velos) erfasst. Auf plausiblen resp. potenziellen Umfahrungsrouten wurden die Verkehrsmengen ebenfalls erfasst, um möglichen Ausweichverkehr zu identifizieren. Die täglichen Verkehrsmengen unterliegen natürlichen Schwankungen. Entsprechend unterscheiden sich die Daten bei der Vor- und der Nacherhebung. Die Grössenordnung der Schwankungen lässt auf keine systematische Zu- oder Abnahme der Verkehrsmenge in Abhängigkeit des Geschwindigkeitsregimes schliessen.
Zürcher Fazit – Tempo 30 funktioniert
Die Einführung von Tempo 30 führt auch auf stärker frequentierten Strassen zu den gewünschten Ergebnissen. Die erzielte Lärmreduktion ist direkt abhängig von der effektiven Geschwindigkeitsreduktion. Sie liegt – wo eine entsprechende Geschwindigkeitsreduktion erreicht werden konnte – im wahrnehmbaren Bereich. Ausser der leicht verlängerten Reisezeit für ÖV und MIV konnten keine negativen Effekte festgestellt werden. Ob Tempo 30 auf den untersuchten Abschnitten auch für die Verkehrssicherheit die erwartete Wirkung bringt (Reduktion der Anzahl Unfälle und der Unfallschwere aufgrund kürzerer Bremswege bei tieferen Geschwindigkeiten), kann erst über einen längeren Zeitraum festgestellt werden. Für eine Unfallanalyse sind die Betrachtungszeiträume dieser Wirkungskontrolle zu kurz. In wenigen Fällen wird Tempo 30 noch unzureichend eingehalten. Dort sind Nachbesserungen bei Signalisation und Markierung oder baulicher Art notwendig.