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Blackout
Der Blackout ist ein vermutlich eher unwahrscheinliches Szenario, welches eintreten könnten. Dennoch ist er nicht ausgeschlossen und könnte schlimme Folgen haben. Doch wie kommt es denn zu einem Blackout?
Begriff «Blackout»
Kaum ein Tag, an dem man den in den Medien den Begriffen «Blackout» oder «Strommangellage» nicht begegnet. Dabei werden die Begriffe oft verwechselt oder als Synonym verwendet, obwohl sie nicht das Gleiche bedeuten. Ordnen wir ein: Bei einem Blackout gibt es grundsätzlich genügend Strom, um die Nachfrage zu decken. Bei einer Strommangellage hingegen ist nicht genügend Strom vorhanden, um die gesamte Nachfrage zu decken.
Was ist ein Blackout
Im Gegensatz zur Stromangellage ist bei einem Blackout in der Regel genügend Energie vorhanden, um die Nachfrage zu decken. Eine Verkettung unglücklicher Umstände führt aber dazu, dass die Energie nicht mehr vom Kraftwerk zu den Konsumentinnen und Konsumenten transportiert werden kann. Wenn zum Beispiel ein Naturereignis zum Ausfall von Netzelementen führt, kann dies eine Überlastung anderer Elemente zur Folge haben, die sich dann automatisch abschalten.
Beispiel eines Fast-Blackout
Wahrscheinlichkeit eines Blackouts
Eine häufige Frage ist, wie wahrscheinlich ein solches Ereignis sei. Viele Experten/Verantwortliche meinen: «sehr gering». Zum einen ist es normal, dass wir davon ausgehen, dass alles gut geht und beherrschbar bleibt. Zum anderen kommt diese Beurteilung aus unserem bisherigen Risiko-Denken. Auch Swissgrid fällt ein solches Szenario für «sehr unwahrscheinlich». Kürzere, regionale Stromausfälle seien in der derzeitigen Situation aber durchaus zu befürchten.
Dabei wird übersehen, dass sich extrem seltene, aber mit enormen Auswirkungen behaftete Ereignisse mit den bisher bewährten Methoden nicht erfassen lassen. Daher spielt die Wahrscheinlichkeit nur eine untergeordnete Rolle, da diese risikomathematisch nicht berechenbar ist. Entscheidend sind die Konsequenzen, die mit einem solchen Ereignis verbunden sind und ob wir mit diesen umgehen könnten, was eindeutig mit NEIN beantwortet werden muss! Ein schwerer Blackout würde Europa in ein Chaos stürzen.
Alle 30-100 Jahre möglich
In der Schweiz gibt es eine gesamtstaatliche Risikoanalyse, die auch eine Wahrscheinlichkeit anspricht. Bereits im Risikobericht 2012 wie auch im Update 2015 oder 2020 wurde ein Blackout bzw. eine Strommangellageneben einer Pandemie als die Top-Risiken für die Schweiz und damit wohl für ganz Europa identifiziert. Schadenpotenzial nur für die Schweiz: Rund 100 Milliarden Franken. Nicht zuletzt auch deshalb wird in der Schweiz die Bevölkerung umfassend über dieses Thema informiert. Wie zuletzt am 02. Jänner 2017 im Rahmen des SRF-Thementages Blackout, wo auch die Risikolandschaft angesprochen wurde.
Simulationsübungen für flächendeckende Stromausfälle zeigen eine Blackoutdauer von mindestens vier bis acht Stunden auf. Derart kurze Zeiten lassen sich aber nur erreichen, wenn man über eine Frequenz- und Spannungsquelle aus einem Nachbarland verfügt (Verbundsystem). Andernfalls muss für die Wiederherstellung der Versorgung (Black Start oder Schwarzstart) mindestens ein Tag vorgesehen werden, sofern Grosskraftwerke verfügbar sind. Einige Szenarios deuten darauf hin, dass der Ausfall bis zu zwei oder drei Tage andauern kann. Die minimalen Kosten eines Blackouts werden in der Schweiz auf zwei bis vier Milliarden Schweizerfranken pro Tag geschätzt. Zudem müssten zu dieser Zahl noch die Kosten der diversen immateriellen oder indirekten Schäden einer solchen Unterbrechung der Stromversorgung addiert werden, die in der vorangegangenen Rechnung nicht berücksichtigt sind (Infos: Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen).
Auswirkungen
Eine europäische Grossstörung («Blackout») würde sich innerhalb weniger Sekunden über weite Teile Europas ausbreiten. Grundsätzlich ist zu erwarten, dass nicht das gesamte europäische Stromversorgungssystem zeitgleich zusammenbricht, sondern dass es in Teilsegmente zerfällt. Das ist sehr wichtig, weil damit die Störung rascher behoben werden kann. Dieser Stromausfall führt jedoch im Unterschied zu einem lokalen Stromausfall zeitnah zu einem kettenreaktionsmässigen Ausfall so gut wie aller lebenswichtigen Infrastrukturen. Unser stromabhängiges Leben kommt zum Stillstand. Nichts geht mehr. Viele Dinge werden aber erst zeitverzögert spürbar. Daher wird sich die erste Zeit auch wie ein gewöhnlicher Stromausfall anfühlen und darstellen. Es wird dauern, bis wir erfahren, dass es sich nun um ein Blackout und keinen lokalen Ausfall handelt. Damit geht sehr wichtige Zeit verloren, um z. B. Notfallmassnahmen und Krisenpläne anlaufen zu lassen. Denn in der ersten Stunde ist es durchaus möglich, dass einzelne Strukturen noch funktionieren, die dann noch genützt werden könnten. Es gibt jedoch drei wichtige Indikatoren, die auf ein Blackout hindeuten und die in Unternehmen oder Organisationen als Alarmsignal genutzt werden könnten. Das erfordert jedoch wieder eine entsprechende Vorbereitung und Prozesse.
3 Phasen
Um die tatsächlichen Auswirkungen eines Blackouts erfassen zu können, muss das Gesamtszenario betrachtet werden. Die meisten Menschen denken nur an einen Stromausfall, also an die Phase 1. Das greift jedoch deutlich zu kurz und führt zu einer massiven Unterschätzung. Denn auch in der Phase 2, also wenn noch kaum ein Telefon, Handy oder das Internet funktionieren, wird auch sonst kaum etwas funktionieren. Weder eine Produktion, Logistik noch Treibstoffversorgung. Auch kein Tanken oder Einkaufen. Nur die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung sollten wieder funktionieren. Erst in der Phase 3 kann dann der Wiederanlauf der Versorgung mit lebenswichtigen Gütern beginnen. Und das kann dauern. Denken Sie nur an mögliche Ausfälle in der Landwirtschaft (Tierhaltung, Gewächshäuser etc). Es kann Jahre dauern, bis sich wieder eine Normalisierung einstellt.
Telekommunikation
Beim Ausfall der Telekommunikationsversorgung gibt es unterschiedliche Erwartungen. Gerade in urbanen Räumen sollte man jedoch von einem ziemlich raschen Ausfall ausgehen. Zudem ist auch beim Wiederhochfahren in diesen Räumen mit besonders starken Überlastungen und damit mit der längeren Nichtverfügbarkeit zu rechnen.
Durch den umfassenden Ausfall der Telekommunikationsmöglichkeiten zerfällt die Gesellschaft in Kleinststrukturen. Eine Hilfe ist daher nur mehr auf lokaler Ebene möglich. Dort wo man noch direkt miteinander reden kann bzw. eine Restmobilität noch funktioniert. Eine Hilfe von aussen ist in der Regel nicht zu erwarten. Daher muss die Krisenbewältigung auch auf dieser Ebene organisiert werden: Familie – Nachbarschaftshilfe – Gemeinde (Notfalltreffpunkte). Mal schnell den Krankenwagen aufbieten für einen Notfall – ist aber nicht mehr möglich.
Telekommunikation – Nebenwirkungen
Wie aus der Praxis bekannt ist, kommt es bei IT-Infrastrukturen (24/7-Betrieb) immer wieder zu schlimmen Ausfällen. Dabei trocknen Kondensatoren in Netz- oder anderen Computerbauteilen aus. Durch den Dauerbetrieb fällt das nicht auf. Kommt es dann doch einmal zu einem Stromausfall, weil etwa auch die USV-Anlage nicht mehr lange genug Notstrom liefert, dann sind immer wieder bis zu 30 Prozent Hardware-Ausfälle zu beobachten. Auch Festplatten in Servern reagieren hier oft sehr empfindlich. Auch hier sind Ausfallzahlen im zweistelligen Bereich bekannt. Im Alltag bekommen wir das selten mit, weil das betroffene Unternehmen noch telefonieren und von irgendwoher Ersatzteile beschaffen kann. Bei einem grossflächigen Szenario kann man weder telefonieren noch gibt es entsprechende Ersatzteile in dieser Menge. Daher ist auch die Dauer der Phase 2 eines Blackouts mit sehr vielen Unsicherheiten verbunden.
Theoretisch könnte diese Schwachstelle relativ einfach identifiziert bzw. rechtzeitig behoben werden: Man müsste nur regelmässig für alle Komponenten den Strom ausschalten. Damit würden Ausfälle rechtzeitig erkannt und beseitigt werden können. Im Infrastrukturbereich ist das halt nicht ganz einfach möglich. Auch dort, wo es Redundanzen gibt, scheut man gerne solche Tests, weil auch immer wieder Fehler auftreten können. Daher gilt oft «never touch a running system», was hier fatal sein kann. Somit würden generell viele IT-Systeme, welche wir im Alltag bewusst oder unbewusst nutzen, nicht mehr zur Verfügung stehen.
Wasser und Abwasser
Auch in der Schweiz kann es bei einem Blackout zu Wasserversorgungsproblemen kommen. Es kommen häufiger Pumpen zum Einsatz, als man gemeinhin annimmt. Vor allem, wenn man Grundwasser pumpen muss. Viele kleinere Wasserversorgungsanlagen sind zudem mit einer UV-Desinfektionsanlage ausgestattet, die bei Stromausfall sofort die Wasserzufuhr unterbrechen muss. Oftmals ist keine Notstromversorgung vorhanden. Dann bleibt nur mehr die Restmenge im Reservoir, bis kein Tropfen mehr aus der Leitung kommt. Auch sonst ist dann häufig nur mehr das da, was noch in den höher gelegenen Reservoiren gespeichert ist. Je nach Grösse und Lage kann dann die Wasserversorgung noch über mehrere Stunden und zum Teil Tage aufrechterhalten werden. In Hochhäusern und höher gelegenen Gebieten kommt es wahrscheinlich deutlich früher zu Wasserversorgungsproblemen.
Fällt die Wasserversorgung aus, funktioniert auch keine WC-Spülung mehr. Und das ist deutlich früher zu spüren, als man Durst bekommt. Aber auch kochen und waschen funktionieren dann nicht mehr.
In der Abwasserentsorgung wird es noch häufiger Probleme geben. Viele Pumpen sorgen dafür, dass das Schmutzwasser zur Kläranlage gepumpt wird. Staut sich dieses zurück, werden bald Keller und Gassen mit Abwässern überflutet werden. Kläranlagen sind sehr grosse Stromverbraucher und müssen daher ihre Abwässer bald ungeklärt ablassen. Mit fatalen Folgen für die Umwelt. Die Seuchenlage ist dann nicht mehr weit weg.
Aber es gibt auch eine positive Nachricht. Wenn der Strom wieder fliesst, sollten in der Regel auch die Wasserver- und Abwasserentsorgung wieder funktionieren. Vorausgesetzt, es kam zu keinen Infrastrukturschäden (zb. IT).
Treibstoffversorgung
Einrichtungen mit einer Notstromversorgung können bei einem Blackout noch einen temporären Notbetrieb aufrechterhalten. Zumindest so lange noch ausreichend Treibstoff vorhanden ist. Fast alle Tankstellen fallen aber sofort aus, da deren Pumpen nicht mehr laufen. Der vorhandene Treibstoffvorrat wird zum limitierenden Faktor. Die Treibstoffversorgung wird aber auch nach dem Stromausfall noch länger nicht funktionieren, da viele Tankstellen und speziell Tankwagen elektronisch diebstahlgesichert sind. Ohne Telekommunikation gibt es auch keine Treibstofflogistik. Die Einsatzorganisationen werden durch eine Vielzahl von Aufgaben bei gleichzeitig eigener Betroffenheit und schrumpfenden Ressourcen rasch an die Grenzen stossen.
Verkehr und Logistik
Ohne Telekommunikation und Treibstoff versiegt auch der Verkehr. Ampeln fallen aus, Strassenbahnen bleiben stecken, Züge kommen nicht mehr weiter. Tunnel müssen gesperrt werden. Wichtige Verbindungslinien werden unterbrochen. Auch hier kommt alles zum Stillstand. Ohne Verkehr gibt es auch keine Logistik und damit keinen Warenverkehr. Die Versorgung bricht in allen Bereichen zusammen. Verzweifelte Autofahrer werden irgendwann Autos stehen lassen, was zu zusätzlichen Behinderungen führen wird. In Läden wird es dann zu grossflächigen Plünderungen kommen.
Landwirtschaft
In der industrialisierten Tierhaltung und bei Treibhäusern müssen massive Ausfälle erwartet werden, wenn Lüftung, Heizung, Kühlung oder Fütterung nicht mehr funktionieren. Milchkühe können nicht mehr gemolken werden und erleiden fürchterliche Schmerzen. Nach ein bis zwei Tagen müssen sie notgeschlachtet werden. All das führt zu erheblichen Folgen bei der Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Gütern. Zudem muss bedacht werden, dass es wahrscheinlich in einigen Regionen Europas deutlich länger dauern wird, bis die Stromversorgung wieder hergestellt werden kann. Das bedeutet, dass dort die Versorgungslage noch viel schlimmer ausfallen wird. Daher ist nach einem Blackout mit einer längeren Lebensmittelmangellage zu rechnen
Ein Massentiersterben kann besonders im Sommer rasch zu einer Seuchenlage führen, da die Tierkadaver nicht rechtzeitig ordnungsgemäss entsorgt werden können.
Lebensmittelversorgung
All das hat massive Auswirkung auf die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern. Wenn der Strom einmal weg ist, müssen die meisten Geschäfte schliessen, da weder Beleuchtung noch Kühlung oder Kassensysteme oder Bankomatzahlungen funktionieren. Sollte das Geschäft nach dem Stromausfall wieder öffnen, dann werden die Regale ziemlich rasch leer sein. Aber auch dann müsste mit Bargeld bezahlt werden, das viele Menschen nicht mehr zu Hause haben. Denn auch in der Phase 2 funktionieren weder die Kassensysteme noch die Bankomatzahlungen. Auch in der anlaufenden Phase 3 wird es nur ein sehr eingeschränktes Warensortiment geben.
Gleichzeitig werden in der Phase 1 in vielen Haushalten eingefrorene oder gekühlte Lebensmittel auftauen bzw. zu verderben beginnen, auch wenn Kühlgeräte die Temperatur über mehrere Stunden aufrechterhalten können. Daher gilt es vor allem diese Ressourcen möglichst rasch zu verbrauchen. Sollte eine Kochmöglichkeit bestehen, dann sollten die Lebensmittel verkocht und damit etwas länger haltbar gemacht werden. Das kann durchaus eine unterhaltsame Gemeinschaftsaufgabe werden.
Wohnen
Dann hätten wir noch das Wohnen. Wer eine Pelletheizung hat, hat vielleicht Glück. Diese funktionieren oftmals ohne Strom. Alles andere jedoch benötigt Strom. Wärmepumpen, Öl- oder Gasheizungen. Einige haben vielleicht eine Solaranlage auf dem Dach, welche in sich einen geschlossenen Kreislauf haben. Dort könnte immerhin, falls die Sonne scheint, geheizt werden. Und auch mit einem Cheminée kann man wenigstens einen Teilbereich heizen. Sofern man genügend Holz hat. Grundsätzlich wird es aber für viele Menschen im Winter eine lange Zeit sehr kalt sein.
Kochen ist in der Regel auch nicht mehr möglich. Ausser man hat vorgesorgt und kann den Gasgrill noch etwas nutzen. Jene welche ein Chemie haben können dort ev. etwas kochen. Ansonsten muss man seine Konserven (falls man welche hat) wohl kalt geniessen.
Wie weiter oben bereits geschrieben funktionieren auch die WC-Spühlungen nicht mehr. Doch auch das Trinkwasser kommt nicht mehr zum Wasserhahn raus. Dann ist Wasserschleppen angesagt – sofern es in der Gemeinde eine Notwasserversorgung gibt.
Licht wird es auch keines mehr geben. Vielleicht hat man noch eine Taschenlampe mit Ersatzbatterien. Vielleicht auch noch Kerzen. Der Mensch wird aber wieder lernen, wenn es dunkel wird ins Bett zu gehen und mit dem Tageslicht wieder aufzustehen. Allerdings ist es unsicher, dass man das Haus verlässt – denn dem Job wird man in der Regel auch nicht mehr nachgehen können. Und ohne Job gibt es kein Geld.
Geld ist auch so eine Sache. Das liegt mehrheitlich auf der Bank. Ohne Strom kann man kein Geld beziehen. und sollte man mal wieder etwas Einkaufen können – ohne Geld wird es nichts geben.
Massnahmen
Das europäische Stromnetz reicht von Portugal bis Rumänien, von Finnland bis in die Türkei. Am 8. Januar 2021 wurde dieses Verbundnetz in zwei Teile geteilt. Die Teilung war die Folge von Schutzmechanismen, die einen Zusammenbruch der Stromversorgung verhindern sollten.
Die Übertragungsnetzbetreiber schlagen für kommende Winter zudem eine Reihe von weiteren Massnahmen vor. Neben dem viel diskutierten möglichen Weiterbetrieb von Kernkraftwerken ist das die Aktivierung aller konventionellen Reservekraftwerke sowie der Versuch, auch private Notstromkraftwerke in Betrieb zu nehmen. Auch der so genannte «witterungsabhängige Freileitungsbetrieb» soll gewährleistet werden. Das bedeutet, bei kaltem Wetter mehr Strom durch Hochspannungsleitungen zu schicken als normalerweise erlaubt, weil sie durch die Umgebung gekühlt werden.
Wenn all dies nicht ausreicht, müssen die Netzbetreiber jedoch als letztes Mittel zu «kontrollierten Lastabschaltungen» greifen. Das bedeutet: Verbraucher werden mit Vorankündigung geplant vom Netz genommen, möglicherweise für einige Stunden.
Prognose 2025
Physisch ist die Schweiz so stark wie kein anderes Land in das europäische Verbundnetz integriert. Es gibt 41 Grenzleitungen, welche die Schweiz mit unseren Nachbarländern verbinden. Die Schweizer Speicherseen sind grosse Energiespeicher für ganz Europa. Eine Schweizer Netzstabilität gibt es laut dem Schweizer Netzbetreiber Swissgrid nur im europäischen Kontext. Die grosse Anzahl an Kraftwerken im europäischen Netz bewirkt, dass der Ausfall eines einzelnen Kraftwerks leichter bewältigt werden kann. Dank der engen europäischen Zusammenarbeit können Kraftwerksausfälle – aber auch Überproduktionen – kompensiert werden.
70-Prozent-Regel
Unsere Nachbarländer müssen bis spätestens Ende 2025 mindestens 70 Prozent der grenzüberschreitenden Stromkapazitäten für den Handel zwischen den EU-Mitgliedstaaten reservieren. Drittstaaten wie die Schweiz zählen grundsätzlich nicht zu diesen 70 Prozent. Können die Nachbarstaaten diese Regel nicht erfüllen, werden sie den Export in die Schweiz einschränken müssen. Die Regelung betrifft vor allem den Winter, weil in dieser Jahreszeit am meisten importiert wird. Wenn die 70-Prozent-Regel von der EU 2025 tatsächlich in der strengstmöglichen Interpretation durchgesetzt wird und dann noch gleichzeitig zu wenig Energie in der Schweiz und in Europa vorhanden ist, dann könnten die Schweiz im späten Winter zu wenig Strom haben.
Solange die Schweiz nicht aktiv an der Stromkapazitätsvergabe teilnehmen kann, so schätzt Swissgrid, ist mit einer Zunahme ungeplanter Stromflüsse durch die Schweiz zu rechnen. Strom sucht sich immer den kürzesten und reibungslosesten Weg zwischen Produzent und Endverbraucher. Ohne Stromabkommen drohen laut Swissgrid deshalb häufiger Situationen, in denen das Netz teilweise überlastet wird. Swissgrid muss dann in den Systembetrieb eingreifen, um das Netz stabil zu halten. Das ist mit hohen Kosten verbunden.
Schweiz wird bald unwichtig sein
Es läuft viel Strom von Norden nach Süden. Da Italien selber nur teuren Strom produzieren kann, sind sie auf günstigen Strom aus dem Norden angewiesen. Dieser Stromimport läuft durch die Schweiz. Im Moment investiert Italien enorm viel in Stromleitungen mit anderen Staaten. Zum Beispiel zwischen Italien und Österreich (Erdverkabelung). Mit der Umsetzung all dieser Projekte dürfte die Bedeutung der Schweiz als Stromtransitland für Italien signifikant abnehmen. Die Schweiz kann so problemlos vom EU-Netz abgehängt werden.
Die Schweiz hat ein grosses Portfolio an Wind- und Solarstrom im Ausland. Dieser Strom gehört doch uns?
Dieser Strom gehört zur Stromkapazität der EU, die Schweiz profitiert nicht direkt davon. Die ausländischen Investitionen waren aber trotzdem wichtig. Sie erhöhen die Stromproduktion in Europa – und damit die Wahrscheinlichkeit, dass europäische Länder genügend Strom auch für Exporte haben. Allerdings wären Investitionen im Inland aus Sicht der Versorgungssicherheit sinnvoller. Deshalb ist die Forderung der Stromproduzenten und der Politik richtig, die Einspracheprozesse so zu verändern, dass der dringend nötige inländische Ausbau beschleunigt wird.
Was unternimmt die Swissgrid, um in den nächsten Jahren auch ohne Stromabkommen eine sichere Stromversorgung zu gewährleisten?
Swissgrid arbeitet mit den europäischen Übertragungsnetzbetreibern an einer möglichst weitgehenden Integration der Schweiz. Hierzu verhandelt sie privatrechtliche Verträge mit jedem einzelnen Netzbetreiber aus. Zum heutigen Zeitpunkt ist allerdings offen, ob der Abschluss dieser Verträge gelingen wird. Privatrechtliche Vereinbarungen unter Übertragungsnetzbetreibern stellen langfristig aber keinen adäquaten Ersatz für ein Stromabkommen dar. Ein vollständiger Marktzugang kann mittels privatrechtlicher Verträge nicht erreicht werden.
Empfehlenswertes zum Blackout
Ein Buch, welches ich wärmstes empfehlen kann, ist jenes von Marc Elsberg. Spannend geschrieben, wie ein Krimi. Zudem kann er eindrücklich aufzeigen, wie es zum Blackout kommen kann und wie die Welt nach mehreren Tagen ohne Strom aussehen wird.
Wer Kinder hat, sollte auch mit ihnen über Umwelt und Energie sprechen. Auch hierzu gibt es ein tolles Buch, welches ich gerne empfehlen möchte.